ERP Projekt: Ziele, Gründe, Ablauf, Dauer
Welche Gründe lösen ein ERP Projekt aus? Welche Ziele werden mit einem ERP Projekt erreicht? Welcher Ablauf wird bei einem ERP Projekt empfohlen? Und warum scheitern ERP Projekte?
Welche Ziele werden mit ERP Software erreicht?
Folgende Ziele können unter anderem mit dem passenden ERP System in einem Unternehmen erreicht werden:
- Integration: Alle Geschäftsbereiche des Unternehmens in einer gemeinsamen Software miteinander verbinden, was eine nahtlose Zusammenarbeit auch vertikal über verschiedene Standorte ermöglicht.
- Vereinheitlichung: Einheitliche und optimierte Abläufe in allen Abteilungen und an allen Standorten
- Transparenz: “Wo stehen wir?” Übersicht über alle relevanten Erfolgskennzahlen des Unternehmens zu jedem Zeitpunkt und von überall. Das ist quasi das “Cockpit” Feature.
- Profitabilität steigern: Kosten reduzieren und Umsatz und Erlös steigern
- Produktivität steigern
- Wettbewerbsvorteile sichern
- Neue Geschäftsfelder und Opportunities erschließen
- Digitalisierung
- Gesetzliche Vorgaben umsetzen
Der ERP Trendreport 2020 des Center for Enterprise Research der Universität Potsdam hat Daten zu über 1800 ERP Projekten ausgewertet, bei denen mehr als 300 verschiedenen ERP Systeme eingesetzt werden. Unter anderem wurden die Ziele bei der Durchführung der ERP Projekte auswertet. Die wichtigsten Ziele nach ihrer Priorität sind gemäß dieser Studie (1) die Optimierung der Geschäftsprozesse, (2) aktuelle Daten, (3) eine einheitliche integrierte IT Landschaft, (4) Durchgängigkeit, (5) Steigerung der Effizienz, (6) effiziente Auftragsabwicklung und (7) Transparenz.
„Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“
Je konkreter die Ziele formuliert werden, desto besser kann die Zielerreichung später überprüft werden:
- Umsatz um 20% steigern (mit vorhandenen Ressourcen)
- Gewinn um 15% steigern
- Produktionskosten um 10% reduzieren
- Lagerdurchlaufzeit um einen Tag verkürzen
- Auftragsdurchlaufzeit um 30% reduzieren
- Eingangsbelege digitalisieren und Workflow optimieren
- Neuen Standort anbinden und nahtlos in die Abläufe integrieren
- E-Commerce B2B und B2C integrieren
Welche Gründe gibt es für ein neues ERP System?
Haben wir gerade nicht schon über die Ziele gesprochen? Korrekt. Die Gründe, warum ein Unternehmen überhaupt ein neues ERP Projekt anstößt, können aber auch anderer Natur sein:
- Es wird bisher kein ERP System genutzt, doch jetzt wurde eine Unternehmensgröße erreicht, die dies erforderlich macht
- Die bisherige ERP Software ist veraltet und wird eventuell nicht weitergepflegt
- Der Wartungsaufwand der aktuellen Lösung ist sehr hoch, zum Beispiel durch Individualprogrammierungen. Deshalb soll eine neue Standardlösung implementiert werden.
Manchmal sind Unternehmen tatsächlich zum Wechsel ihres ERP System gezwungen, weil die bisherige Lösung nicht mehr weitergepflegt wird. Das kann passieren, wenn der ERP Anbieter oder ERP Implementierungspartner insolvent gegangen ist oder die Weiterentwicklung des Produkts eingestellt hat. Oder es handelt sich um eine Inhouse entwickelte Lösung, die nicht mehr gewartet werden kann oder soll. Wenn sich dann technische oder gesetzliche Rahmenbedingungen ändern, muss eine neue ERP Software eingeführt werden. Viele Unternehmen waren beim “Jahr 2000” Problem (“Millenium-Bug”) davon betroffen und auch eine Mehrwertsteuer-Anpassung (so wie jetzt auch temporär in der Corona Zeit) kann bei einigen ERP Systemen hohen Aufwand erzeugen.
Wer eine neue ERP Software jedoch nur einführt, weil die bisherige Lösung veraltet ist oder weil bisher alles mit Outlook, Word und Excel gemacht wurde, ohne klar die Ziele bei der ERP Einführung zu definieren, wird später nicht zufrieden sein. Warum? Werden keine klaren Ziele festgelegt, werden diese natürlich auch nicht erreicht. Achtet deshalb darauf, dass euer ERP Projekt nicht zu einem reinen “Excel Replacement Project” verkümmert. In den von uns betreuten Projekten ging es schon oft darum, Abläufe ins ERP System zu bringen, die bisher irgendwie mit Excel abgebildet wurden. Das ist als Grund für ein Projekt auch legitim, aber die Zielsetzung muss konkreter sein als einfach “Excel abzulösen”. Transparenz, Profitabilität und Produktivität sind kein zufälliges Abfallprodukt unternehmerischer Entscheidungen. Deswegen gibt es eine klare Unterscheidung zwischen den Gründen für ein ERP Projekt und den zu erreichenden Zielen.
Wie läuft ein ERP Projekt ab?
Der Ablauf jedes ERP Projekts gliedert sich in folgende drei Phasen:
- Auswahl (siehe Ratgeber ERP Auswahl)
- Einführung (siehe Ratgeber ERP Einführung)
- Optimierung
Diese Phasen bestehen jeweils aus vielen Einzelschritten, die in unseren speziellen Ratgebern näher erläutert werden.
Wie lange dauert ein ERP Projekt?
Ein ERP Projekt dauert durchschnittlich 8 – 14 Monate. Grundsätzlich ist die Einführungszeit von Cloud ERP Software kürzer als bei On-Premise Varianten. Einige ERP Anbieter werben mit einer möglichen Projektdauer von nur 3 Monaten für die Einführungsphase, gleichzeitig berichten größere Kunden, dass ihr Projekt auch gerne mal 18 Monate oder mehr in Anspruch genommen hat.
Genauso wie die Kosten einer ERP Einführung von vielen Faktoren abhängen, so ist es auch mit der Dauer eines ERP Projekts. Ein ERP Projekt besteht aus mehreren Phasen, wobei die Phase der Auswahl des ERP Systems fast genauso viel Zeit beanspruchen kann wie die Phase der Einführung des ERP Systems. Ein sportlicher Projektplan führt oft zum Frust. Plant euer ERP Projekt besser zeitlich großzügig.
Warum scheitern ERP Projekte?
“Das ist schlimmer als Brexit, Trump und Handelskrieg” titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Liqui-Moly-Chef Ernst Prost hat nach dem missglückten ERP Projekt in seinem Unternehmen die Schnauze voll: „Ich hätte nie gedacht, dass eine Softwareumstellung ein ganzes Unternehmen dermaßen ins Schleudern bringen kann.“ Der Gewinn des Motoröl-Spezialisten aus Ulm war um 30 Prozent eingebrochen.
Das ist leider kein Einzelfall. “Lidl stoppt millionenschweres SAP-Projekt für Warenwirtschaft” schrieb die Computerwoche. Schätzungen sprechen von Projektkosten in Höhe von rund 500 Millionen Euro, die in den Sand gesetzt wurden. Der Konzern hat anscheinend vor, sein alte Software wiederzubeleben. Auch bei der Deutschen Post DHL und Otto sind ERP Projekte krachend gescheitert.
Es liegt nicht unbedingt an der ERP Software, wenn Projekte unglücklich verlaufen oder sogar scheitern. Meistens kommen mehrere Faktoren zusammen, die einen Dominoeffekt erzeugen. Aus unserer Erfahrung heraus sind dies die häufigsten Gründe, warum ERP Projekte nicht erfolgreich sind:
1. Team und Management
Der Erfolg eines ERP Projekts hängt wesentlich von der Qualität der Arbeit ab, die das Projektteam abliefert bzw. abliefern kann. Das Team muss zu Beginn des Projekts aufgestellt werden, also vor der Definition der Ziele und Anforderungen und damit auch vor der Auswahl der ERP Software (siehe auch den Projektablauf weiter oben in diesem Beitrag). Der Projektleiter ist als Moderator und guter Kommunikator gefragt. Sein Fokus liegt auf dem Erreichen der von der Geschäftsleitung festgelegten fachlichen, budgetären und zeitlichen Ziele. Die Team-Mitglieder konzentrieren sich auf die Abbildung der Geschäftsprozesse in den von ihnen verantworteten Bereichen. Wurden unter dieser Prämisse die kompetentesten Mitarbeiter ausgewählt und werden sie wirklich von Anfang an für das Projekt ausreichend freigestellt? Und ganz wichtig ist die Unterstützung der Geschäftsleitung. Ansonsten hat der Produktionsleiter (sollte er nicht selbst im Projektteam sein) das Gefühl, dass der Vertriebsleiter (wenn er Projektleiter ist) ihm vorschreiben will, wie die Fertigungsprozesse abgebildet und optimiert werden sollten. Und das geht dann natürlich nach Hinten los.
“Viele verfolgen hartnäckig den Weg, den sie gewählt haben, aber wenige das Ziel.”
2. Lücken im Lastenheft
Viele Unternehmen unterschätzen den Zeitaufwand und die Wichtigkeit, die eigenen Anforderungen im Lastenheft lückenlos zu dokumentieren. Kleinere Unternehmen haben leider oftmals gar keine Anforderungsbeschreibung; maximal auf einer DIN A4 Seite ein paar Stichpunkte, was dem Projektverantwortlichen mal eben so eingefallen ist. Man hofft, dass der ERP Implementierungspartner eine detaillierte Analyse der Anforderungen vornimmt – schließlich will er ja die Software einführen und die Endabnahme und damit die letzte Ratenzahlung bekommen. Wenn der ERP Partner dann aber wichtige Prozesse oder Geschäftsvorfälle während seiner Analyse und anschließend in seinem Pflichtenheft nicht vollständig erfasst hat, ist der Schaden nach dem Going Live groß.
Deshalb: Gebt eurem Projektteam die Zeit, eure Anforderungen vollständig aufzunehmen und im Lastenheft festzuhalten. Und das, bevor ihr den Auswahlprozess der ERP Anbieter startet. Mit unserer “Best Practice” ERP Lastenheft Vorlage 360° und dem dazugehörigen Quick-Start Guide könnt ihr sofort loslegen. Holt euch wenn nötig externe Unterstützung für diesen Projektschritt.
3. Customizing vs. Standard
Standard-Prozesse in ausgereiften ERP Systemen basieren auf “Best Practices”. Diese zu verstehen und die Unternehmensabläufe daran anzupassen, ist oftmals ein Garant für ein erfolgreiches ERP Projekt. Customizing (Anpassungsprogrammierung) ist teuer, kann in verknüpften Prozessen zu Problemen führen und ist bei jedem Release-Wechsel (Upgrade der ERP Standardsoftware) ein Ärgernis, da es mit zusätzlichem Aufwand und Nebeneffekten verbunden sein kann. Die Anwender halten dagegen, dass dieser besondere Ablauf schließlich eine Besonderheit des Unternehmens sei ohne den man nie so erfolgreich geworden wäre.
“ Der schädlichste Satz in jeder Sprache ist: ’Das haben wir immer so gemacht’ ”
Deswegen: Genau prüfen, welche Nachteile bei der Nutzung von Standard-Abläufen entstehen würden.
4. Schlampige Testphase
Das Projektteam hat schon viel Zeit in das Projekt gesteckt und dann beginnt die Testphase. Diese ist kurz bemessen, weil man ja zügig mit dem Echtsystem starten will. Die Testfälle wurden nicht detailliert genug vorbereitet und die Key-User haben noch nicht einmal genug Zeit, um auch nur die grob skizzierten Testfälle durchzugehen und das Ergebnis dann zu dokumentieren. Wird schon schiefgehen! Und das geht es dann auch, wenn nach dem Echtstart wichtige Abläufe nicht genau passen.
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